Blühflächen, Rebhuhnstreifen und Lerchenfenster: Für mehr biologische Vielfalt in der regionalen Agrarlandschaft
Gemeinsames Projekt von Region, Landvolk und Stiftung Kulturlandpflege
Hannover/Pattensen. Blühstreifen, auf die Bienen und Hummeln fliegen, „Fenster“ im Getreidefeld als Lande- und Brutplätze für die Feldlerche oder Altgrasstreifen als Lebensraum für Feldhasen und Wiesenvögel: Um dem Rückgang der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft entgegenzuwirken, haben die Region Hannover, das Landvolk Hannover und die Stiftung Kulturlandpflege vor vier Jahren ein gemeinsames Projekt für mehr biologische Vielfalt in der regionalen Agrarlandschaft ins Leben gerufen. Was 2018 mit zunächst rund 90 landwirtschaftlichen Betrieben angefangen hatte, die auf ca. 120 Hektar ein ganzes Bündel unterschiedlicher Naturschutzmaßnahmen umsetzten, wird in diesem Jahr von 150 Betrieben auf 210 Hektar Ackerfläche fortgesetzt. Aufgrund der hohen Nachfrage hatte die Region Hannover dazu ihre Förderung bereits 2019 von 150.000 Euro auf 300.000 Euro verdoppelt.
Einer der Teilnehmer ist der Landwirt Hans-Heinrich Schnehage. Auf seinen Ländereien hat er auf einem Hektar Feld eine mehrjährige Blühfläche angelegt und damit einen – auch optisch schön anzusehenden – Rückzugsraum und Nahrungsgrundlage für viele Tierarten, insbesondere für Insekten geschaffen. Ein idealer Rastplatz für Wildbienen oder Schmetterlinge. „Voraussetzung für eine erfolgreiche Ansaat von Blühstreifen oder -flächen ist eine gründliche Bodenbearbeitung und eine ausreichende Bodenfeuchte “, erläuterte der Landwirt bei einem Pressetermin Vertreterinnen und Vertretern der Projektpartner.
Die Umweltdezernentin der Region Hannover, Christine Karasch, hebt die Kooperation als Basis des Erfolges hervor „Nur mit dem Engagement der Landwirte kann das Ziel erreicht werden, den Schutz, den Erhalt und die Pflege der Arten und Ökosysteme zu gewährleisten. Gemeinsam entwickeln wir Maßnahmen, die dem Naturschutz dienen und gleichzeitig praxistauglich und wirtschaftlich tragfähig für unsere Partner sind. Die Fördermittel, die die Region Hannover zur Verfügung stellt, sind in erster Linie ein Entgelt für die Leistungen und den Ertragsausfall der Landwirte. Das Projekt beinhaltet inzwischen allein rund 100 Hektar Blühstreifen“.
Fast weg vom Feld sind auch kleine Nager: Bestände des Feldhamsters sind in der Region Hannover nur noch in Teilen der Calenberger Börde zu finden, vor allem in Pattensen und Hemmingen. Eine konkrete Hilfsmaßnahme ist das Aussparen von Getreidestreifen, die nicht geerntet werden und bis in das Folgejahr den Tieren Nahrung und Deckung bieten. Das Projekt „Hoher Halm“ ist neu im Biodiversitätsprogramm. „Bei der Ährenernte wird das Mähwerk an einigen Stellen hochgestellt. So verzeichnen die Landwirte zwar eine etwas geringerer Erntemenge“, erklärt Peter Zanini, Geschäftsführer der Stiftung Kulturlandpflege, „aber der Feldhamster bleibt besser geschützt und kann sich einen Wintervorrat anlegen.“ Die niedersächsische Bingo Umwelt Stiftung (NBU) beteiligt sich mit 30.000 Euro an der Maßnahme, gemeinsam mit weiteren Zuschüssen der Region Hannover können damit zusätzlich 40 Hektar gefördert werden. Der Feldhamster besiedelt die fruchtbare Ackerlandschaft und gilt als „Architekt unter dem Acker“. Er wird als außerordentlich stark gefährdet angesehen und mit höchster Schutzpriorität geführt.
„Die Verbesserung der biologischen Vielfalt in unserer Kulturlandschaft ist eine aktuell drängende Aufgabe“, betont auch der Vorsitzende des Landvolks Hannover, Volker Hahn: „Das Biodiversitätsprojekt von Region Hannover, Landvolk Hannover und Stiftung Kulturlandpflege soll dazu beitragen, die Biodiversität in der Agrarlandschaft in der Region Hannover in Kooperation mit den regionalen landwirtschaftlichen Betrieben zu fördern und zu verbessern. Entstanden ist die Idee aus der gemeinsamen Überzeugung, dass ein Vertragsnaturschutz auf Augenhöhe ein geeignetes Instrument ist, die Artenvielfalt in der Region Hannover zu fördern. Gemeinsam entwickelte Maßnahmen sowie eine jährliche Erfolgskontrolle sind dabei der Garant für die hohe Akzeptanz und Wirksamkeit der Maßnahmen.
Während sich die Region Hannover um die Mittelvergabe und die Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde kümmert, übernimmt das Landvolk Hannover die Ansprache der Landwirte und die Vertragsabwicklung. Die Stiftung Kulturlandpflege, die über langjährige Erfahrung im Vertragsnaturschutz mit der Landwirtschaft verfügt, kontrolliert und dokumentiert die Umsetzung der vereinbarten Vorhaben. So konnte nachgewiesen werden, dass über 75 Prozent der angelegten Feldlerchenfenster vom „Vogel des Jahres 2019“ als Brut- und Nahrungshabitat auch genutzt werden.
Gemeinsam konnte so eine Fülle von Maßnahmen entwickelt werden, mit denen die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft verbessert wird, beispielsweise die Anlage von Blühstreifen, Feldvogelinseln, Staffelmahd auf Grünlandflächen oder Maßnahmen für den Feldhamster. Es sind im Einzelnen:
- Blühstreifen und Blühflächen zur Förderung von Insekten.
- Brachestreifen auf mageren Standorten, vorrangig an Gewässer- und Waldrändern, zur Förderung von Feldvögeln und Insekten.
- Stoppelbrache in der Feldhamsterkulisse der Region Hannover zur Förderung des Feldhamsters.
- Rebhuhnstreifen unter Nichterntung von Weizen zur Förderung des Rebhuhns.
- Anlage von Feldlerchenfenstern in Getreide zur Förderung der Feldlerche.
- Anlage von Erbsenflächen innerhalb von Raps-, Mais-, Rüben- und Getreidekulturen zur Förderung von Feldlerchen und Schafstelzen.
- Grünlandextensivierung (Altgrasstreifen) zur Förderung von Feldhase und Wiesenvögeln.
Die über die Jahre gewachsene hohe Beteiligung belege die Bereitschaft und das Engagement der Landwirte für den Naturschutz, betont das Landvolk Hannover. Für Landvolk und Stiftung ist es Ziel und Herausforderung zugleich, den Vertragsnaturschutz mit der Landwirtschaft dauerhaft in der Region zu etablieren und auszubauen, indem weitere Landwirte für das Projekt gewonnen werden.
„Unser gemeinsames Projekt wollen wir in den nächsten Jahren fortsetzen und mit weiteren Bausteinen ergänzen. Gerade bei der Biotopvernetzung durch zum Beispiel Heckenstrukturen und Gewässerrandstreifen gibt es noch viel Handlungsbedarf“, kündigte Dezernentin Karasch an.